Geschichte

Georgsmarienhütte im Juli 1955

Es war der 14. des Monats, an dem die internationale Presse zu einer Präsentation ins Kasino nach Georgsmarienhütte geladen wurde. Weder Wort noch Bild fanden bis zu jenem Tage den Weg an die Öffentlichkeit. Das Fahrzeug selbst wurde gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Nach einer Ansprache von Wilhelm Karmann fiel der Vorhang und zum Vorschein kam ein elegantes, elfenbeinfarbenes Coupe. Langanhaltender Applaus war die Reaktion zur Geburtsstunde eines deutsch-italienischen Klassikers, dem VW Karmann Ghia.

Im Gegensatz zu anderen deutschen Karosseriebaumeistern wie Drews, Dannenhauer, Rometsch und Co., kann Karmann auf die Unterstützung und Versorgung der Technik aus dem Volkswagenkonzern bauen. Bereits vor den Plänen zu einem sportlichen Coupe auf VW Käfer Basis, entwickelte und produziert Wilhelm Karmann bereits das VW Käfer Cabriolet in Osnabrück für die Wolfsburger.

Karmann erkannte, dass die in Deutschland stationierten US Soldaten britische Roadster, sowie Porsche Sportwagen mit in Ihre Heimat nahmen und dort für eine steigende Nachfrage nach europäischen Fahrzeugen sorgten. Wollte man auf dieser Welle mitschwimmen, musste schnell reagiert werden.

Also sprach er 1951 mit Dr. Karl Feuereisen, dem ex Auto Union Rennleiter, stellvertretenden VW Geschäftsführer und Verkaufsleiter. Dieser verstand auf Anhieb die Situation. Die daraufhin erstellten Entwürfe aus dem Hause Karmann fanden aber bei VW keine Fürsprecher. Es war schwierig, die vergebenen Proportionen des VW Käfer als Roadster Grundlage zu verwenden.

Genf, Frühjahr 1953. Wilhelm Karmann und Luigi Segre begegnen sich auf dem Autosalon. Segre, ein Kaufmann, genialer Designer und Freund Karmanns hatte 1950 die Designschmiede Carozzeria Ghia S.p.A. Turin übernommen und wurde während der Ausstellung in die Pläne von Wilhelm Karmann eingeweiht. Dieser versprach, sich „darum zu kümmern“ - mehr aber nicht.


Der Prototyp

Im Herbst 1953 erhielt Wilhelm Karmann, kurz vor seiner Abreise zum Salon nach Paris, einen Anruf seines Freundes Luigi Segre. Dieser wollte ihm eine Überraschung zeigen. Vereinbart wurde ein Treffen im Pariser Vorort Neuilly, beim Chrysler und VW Importeur Ladouches.

Segre hatte das unmögliche geschafft und nicht nur Skizzen mitgebracht, sondern ein fertiges Fahrzeug in die Vorort Garage gestellt. Die Begeisterung Karmanns war enorm als er das perfekt proportionierte Kunstwerk sah. Keiner der drei anwesenden Männer konnte derzeit den Erfolg des Fahrzeugs nur im Geringsten erahnen.
Das Fahrzeug wurde anschließend zu Detailänderungen wieder zurück nach Turin gebracht und einige Zeit später unter „Top Secret“ und zu später Stund nach Osnabrück gebracht.

Als erster durfte VW Verkaufsleiter Dr. Feuereisen das Fahrzeug begutachten und war vollends begeistert. Er war Wegbereiter für VW Chef Heinrich Nordhoff, welcher Mitte November 1953 bei Karmann vorfuhr und das Coupe in Augenschein nahm. „Wunderschön, aber natürlich viel zu teuer“ sprach dieser, obwohl er den Preis noch nicht kannte. Wilhelm Karmann war natürlich auf diese Diskussion vorbereitet und nach Klärung der Preisfrage gab Heinrich Nordhoff die Serienproduktion, sowie den Vertrieb über das VW Händlernetz noch am selben Tage frei.

Eine Mannschaft aus Ingenieuren und Technikern konstruierten ein serientaugliches Modell, welches bereits im Oktober 1954 zum Salon in Paris hätte gezeigt werden können. Aus betriebstaktischen Gründen warteten Karmann und Segre aber bis zur IAA in Frankfurt im darauf folgenden Jahr.

Zu diesem Zeitpunkt waren das DKW Cabrio und der Ford Taunus Kombi in der Osnabrücker Fertigung ausgelaufen und man konnte sich somit besser auf die Produktion des Karmann Ghia Coupes konzentrieren, welches auf Grund seiner komplett verschweißten Karosserie großen Aufwand bedeutete.

Im Beisein ihrer Ehefrauen haben Karmann und Segre später nach einem Namen für das außergewöhnliche Coupe gesucht. Namen wie „Ascona“, oder „Riviera“ wurden Gott sei Dank schnell verworfen, bis Wilhelm Karmann plötzlich „Karmann-Ghia“ vor sich hin murmelte. Anwesende waren spontan begeistert und bis heute, fast 60 Jahre später, weiß noch jeder Autoliebhaber, was ein Karmann Ghia ist.

Kurz vor der Präsentation des Wagens in Georgsmarienhütte verstarb Dr. Karl Feuereisen, dem definitiv eine Schlüsselrolle in der Karmann Ghia Geschichte anzurechnen ist. Ihm war es schließlich gelungen, Heinrich Nordhoff’s Neugierde auf das Fahrzeug zu wecken. Zeitgleich zur IAA 1955 konnte man die meisten VW Händler bereits mit einem Karmann Ghia versorgen und wer schlappe 7500 DM übrig hatte, konnte den Wagen sein Eigen nennen.

Die solide Käfertechnik mit 30PS und 1192ccm³ Hubraum lies sich problemlos bewegen. Auf Grund des vorderen Querstabilisators und eines hervorragenden Rundumblickes war der VW Karmann Ghia einfacher zu fahren als die VW Käfer Limousine. Trotz des Mehrgewichtes von 80kg war der "Beau" aus Osnabrück mit seiner besseren Aerodynamik einen Tick schneller als der VW Käfer.

 

Das Cabriolet

Eigentlich wollte Wilhelm Karmann einen Roadster auf VW Basis. Luigi Segre aber baute ein Coupe, weil sich ein solches leichter zum Cabrio umbauen lässt, als anders herum. Er behielt Recht. Es gab keinerlei Probleme.
Bereits 1954 gab es einen Cabrio Prototyp, welcher wie der 1953er Coupe Prototyp ebenfalls noch ohne „Nasenlöcher“ auskam. Der Öffentlichkeit gezeigt wurde der offene 2+2 Sitzer auf der IAA in Frankfurt 1957.

Das Cabriolet wurde vor allem in den USA ein Verkaufserfolg. Die meisten Fahrzeuge wurden über den großen Teich und vor allem in den mittleren Westen geliefert, wo sie sich auf Grund der trockenen Luft bis heute oftmals erstaunlich gut gehalten haben.
Die Verdeckkonstruktion des Karmann Ghia Cabriolets zählt noch heute zu einer der Aufwändigsten und Besten seiner Art. Die dicke Fütterung schützt den Fahrer, oder die Fahrerin im Winter vor Kälte und Lärm, wie kein anderes Verdeck seinerzeit.


Der "große" Karmann - VW Karmann Ghia 1500

Auf dem Genfer Salon im Frühjahr 1959 beauftragte Karmann das Designbüro Ghia zur Formgestaltung und Fertigung eines großen Volkswagens. Ein dreiviertel Jahr später, Anfang 1960 lieferten die Italiener ein fahrbereites Auto nach Osnabrück.

Sergio Sartorelli hieß der fürs Design zuständige Mann bei Ghia, welcher federführend am „großen“ Karmann Ghia zu Gange war. Das Fahrzeug wirkte mit seinen Doppelscheinwerfern und den markanten Sicken und Falzen modern und vor allem groß, obwohl er nur 14cm länger war als der Typ14.

Der Typ34, wie er intern genannt wird, bekam die Technik vom VW1500, welcher ebenfalls auf der IAA im September 1961 sein Debut feierte und als Käfernachfolger gehandelt wurde.
Leider hatte die Presse vorab Bilder vom Typ34 veröffentlicht und somit fiel eine Präsentation, wie sie dem Typ14 in Georgsmarienhütte zuteil wurde, ins Wasser. Ebenfalls auf der Messe zu bewundern war das Cabriolet des Typ34.

Ein wunderschönes offenes Auto, bei dem die fließenden Linien noch besser als beim Coupe zur Geltung kamen. Die Prospekte waren bereits gedruckt, als plötzlich das Aus für das Cabrio kam. Die Karosseriesteifigkeit wurde nicht erreicht und so blieb es beim Coupe.

Übrig blieben einige Cabrio Prototypen, die heute von Sammlern geschätzt und gepflegt werden. Auch eine Fliesheckvariante des großen Karmann Ghia kam aus dem Prototypenstadium nicht heraus und befindet sich heute in der VW Fahrzeugsammlung von Osnabrück . Unter Kennern werden das Cabrio, sowie die Fliesheckvariante (s. Bild) gerne als die gelungensten Varianten des Wagens bezeichnet. Zu Schade, daß weder die eine, noch die andere Variante je in Serie ging. Vielleicht entstand aber gerade auch deswegen deren hoher Kultstatus.

Der VW Karmann Ghia 1500 wie er im Verkaufsraum korrekt bezeichnet wurde, hing seinem kleineren Bruder immer hinterher und konnte nie an seine Erfolge anknüpfen. Trotz permanenter Weiterentwicklungen und Verbesserungen wurde er im Juni 1969 nach knapp 42500 Einheiten aus den VW Verkaufslisten gestrichen.
Der kleine rundliche Typ14 aber blieb 19 Jahre in den Händlerlisten. Er verkaufte sich als Coupe 362.585 mal und als Cabrio 80.881mal. Das von Wilhelm Karmann und Ghia Turin ins Leben gerufene Werk in Brasilien (Karman-Ghia do Brasil) fertigte nochmals 23.402 Coupes und 176 Cabriolets des Typ14.

"Du liefst so gut, du warst so schön - doch leider musst du von uns gehen“ …waren 1974 die letzten Grüße an ein Typ14 Cabrio, welches anschließend den direkten Weg ins Karmann Museum fand.

 

VW Karmann Ghia TC

Auf Basis des Typ 34 entstand in Brasilien der Typ 145, ein Fliesheck Karmann Ghia mit dem Kürzel TC, von dem zwischen 1970 und 1975, 18.119 Fahrzeuge gebaut wurden. Von diesem in Europa beinahe unbekannten Auto, sind in Deutschland leider nur eine „handvoll“ Fahrzeuge zugelassen.